Muskatnuss hellt die Stimmung auf

Die unscheinbare braune Nuss hat eine wechselvolle, blutumkämpfte Geschichte hinter sich. Wegen dieser Nuss – und natürlich anderen Gewürzen – wurden Kolonien gegründet, Handelsmonopole erlassen, Kriege geführt und harte Strafen für das Schmuggeln von Gewürzpflanzen verhängt. Heute ist die Nuss für jedermann erschwinglich. Sie ist nicht nur ein wichtiges Gewürz, das aus der Küche nicht mehr wegzudenken ist, sondern auch ein Heilmittel. Die stimmungsaufhellende Muskatnuss stärkt den Magen, wirkt lindernd bei Durchfall und Morbus Crohn und steigert den Appetit. Das Muskatnussöl ist ein vorzügliches Einreibemittel bei rheumatischen Beschwerden, Muskelschmerzen und kam auch in der Aromatherapie zu Ehren.

Als Kolumbus während seiner 3. Amerikareise 1498 die 304 km2 grosse, zwischen Atlantik und karibischer See liegende Insel entdeckte und die Berge sah, wurde er an die Sierra Nevada bei Granada erinnert. Er taufte das Eiland Granada, aus dem später Grenada wurde. Die Insel hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Zunächst bekämpften sich unerbittlich die Ureinwohner (Arawaks und Cariben), dann drohte neues Unheil. Zunächst kamen die Franzosen, dann die Engländer. Viele Einwohner wurden von den Kolonisten erbarmungslos niedergemetzelt. Seit 1974 ist Grenada unabhängig.

Zu Grenada gehören heute die Inseln Carriacou und Petit Martinique. Da die Insel der Muskatnuss viel verdankt, wurde eine Abbildung der Muskatnuss in die National­flagge aufgenommen. Auch im Wappen finden wir neben dem Gürteltier und der Grenada-Taube ein Körbchen mit Muskatnüssen.

Es war Frank Gurney, der 1843 die Pflanzen von den Banda-Inseln auf die karibische Insel brachte und diese dort anpflanzte. Die Muskatnussbäumchen galten zunächst als Kuriosität, aber sie gedeihen in diesem tropischen Klima ausgezeichnet, und innerhalb weniger Jahrzehnte vermehrten sich diese prächtig.

Wegen des bergigen Terrains gibt es auf Grenada keine Monokulturen wie auf Barbados, Antigua, Aruba oder Haiti (dort wächst heute fast nur noch Zuckerrohr). Erfreulich ist auch, dass auf Grenada keine Düngemittel und Pestizide zur Anwen­dung kommen. Der ursprüngliche Regenwald ist auf Grenada noch vollständig erhalten und steht heute unter Naturschutz. Es gibt nur wenige Plantagen, die von den Engländern errichtet wurden. Auf diesen werden Kakao, Kaffee, Bananen, Zuckerrohr und Gewürze angebaut. – Als die Engländer das Weite suchten, über­gaben sie die Plantagen den Familien. Die Kakao- und Muskatnussanbauer sind heute selbstständig, jedoch genossenschaftlich organisiert. Sie bekamen eine Abnahmegarantie für diese Produkte.

Grenada liefert inzwischen ein Drittel der Weltproduktion und ist zweitgrösster Muskatnussproduzent. Hauptabnehmer von Macis war lange Zeit Russland, das grosse Mengen als natürliches Fleischkonservierungsmittel gebrauchte. Die schlechte wirtschaftliche Lage Russlands liess diesen Absatzmarkt nahezu versiegen. Gefahr drohte aus Malaysia, deren Gesellschaften Muskatnüsse und Macis zu Dumpingpreisen verkauften. Grenada hatte schlechte Karten. Erst als die Weltbank intervenierte und ein Weltmarktpreis durchgesetzt wurde, erholte sich der grenadinische Muskatnussmarkt wieder. Ein bestimmter Abnahmepreis ist für die Grenadier sehr wichtig, da 80 % der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben. Die Muskatnuss brachte einen bescheidenen Wohlstand auf das Eiland.

Immergrüner Baum

Der zur Familie der Myristicaceae – Muskatnussgewächse (15 Gattungen mit 250 Arten) – gehörende Muskatnussbaum (Myristica fragans Houtt.) ist auf den Molukken, den Banda-Inseln und Indien heimisch. Kultiviert wird er auf Neuguinea, Madagaskar, Mauritius, Indonesien, in Malaysia, Brasilien und hauptsächlich auf Grenada. Der immergrüne 16 bis 20 Meter hohe Baum wird bis zu 100 Jahre alt. Die blassgelben Blüten bilden rispenförmige Blütenstände, die Blätter sind ledrig  und lorbeerähnlich. Die Pflanze ist zweihäusig, das heisst, männliche und weibliche Blüten befinden sich auf verschiedenen Bäumen. Auf Plantagen sind die männlichen "Gewächse" in der Minderzahl. Auf 100 Bäume kommt nur ein männliches Exemplar. Dieses reicht aus, um alle zu bestäuben.

Gut verpackter Samen

Aus den bestäubten Blüten entwickeln sich hühnereigrosse, kugelige, aprikosen- und pfirsichähnliche Früchte. Platzt die Frucht auf, dann gibt sie den Samen, der von einem geschlitzten, roten Samenmantel (Arillus) umgeben ist, frei. Dieser Samen­mantel wird Macis, Muskatblüte oder Mace (englisch) genannt und wird beim Trocknen bräunlich-gelb. Die Muskatnuss, wie wir sie kennen, ist weiterhin gut verpackt. Sie ist von einer Schale, die man leicht aufknacken kann, umgeben. Geschälte Muskatnüsse keimen übrigens innerhalb von 4 bis 8 Wochen, ungeschälte brauchen dazu manchmal 4 Monate (je nach Regenzeit). Nach 8 Jahren können die ersten Nüsse geerntet werden. Die Bäume liefern Höchsterträge, wenn sie 15 bis 60 Jahre auf dem Buckel haben.

Anmerkung: Der Samen des Muskatbaumes wird fälschlicherweise als Nuss bezeichnet. Auch die Muskatblüte ist im botanischen Sinn keine Blüte, sondern der Samenmantel.

Alles wird verwendet

Anbau, Ernte und Verwendung der Muskatnuss auf Grenada im Überblick. Die Nuss wird auf dieser vulkanischen und tropischen Insel das ganze Jahr geerntet. Die Bauern müssen sich beeilen, um die abgefallenen Nüsse einzusammeln, denn die Macis beginnt sich schon nach zwei Stunden zu zersetzen. Fleissige Hände ent­fernen den roten Samenmantel mit einem Messer. Je schöner, desto besser die Qualität. Macis wird im vorgetrockneten Zustand bei den Nutmegfactories abgeliefert. Dort erfolgt eine 8-monatige Nachtrocknung in grossen durchlüfteten Kisten. Macis wird als Gewürz zur Parfümherstellung und zum Würzen von Fleischkonserven verwendet.

Aus dem Fruchtfleisch stellen die Grenadier Konfitüre, Sirup, Likör, Süssigkeiten und Pickles her. Eine Spezialität auf Grenada sind geschnittene und in Zuckerwasser eingelegte und getrocknete Fruchtfleisch-Schnitze.

Nach einer Trockenzeit von 6 bis 8 Wochen (bis die Samen zu rascheln beginnen) werden die Schalen der Nüsse aufgebrochen und von Hand verlesen. Kaputte und wurmstichige Nüsse werden ausgelesen und für die Ölproduktion gebraucht. Die stark gerbstoffhaltigen Schalen dienen als Füllmaterial für Gartenwege. Diese Abfallverwertung bringt den Vorteil, dass auf diesen Wegen kein Unkraut wächst.

Wie prüfen die Grenadiere, ob eine Nuss gut oder schlecht ist? Sie werfen die Nüsse in einen Bottich mit Wasser. Die intakten Nüsse sinken auf den Boden, während die mit kleinen unsichtbaren Kanälchen (durch Schädlinge verursacht) versehenen obenauf schwimmen. Die guten Nüsse werden dann nochmals getrocknet, mit Sieben nach Grösse sortiert und abgeliefert. Je nach Anforderung der Kunden werden die Nüsse gekalkt und in Kisten exportiert. Die Kalkung erfolgt mit Kalk oder Kalkmilch und soll die Keimung verhindern und vor Insektenbefall schützen. Das Kalken stammt übrigens noch aus der Zeit, als die Holländer über ihr Monopol ständig wachten. Es sollte kein keimfähiger Samen eine Gewürzinsel verlassen.

Beliebt ist auch das Muskatsamenöl, das durch Wasserdampfdestillation aus den Samen mit einer Ausbeute von 6 bis 10 % gewonnen wird. Es dient zum Aromatisieren von Kräuter- und Fruchtlikören und Spirituosen und wird für Backaromen und zur Herstellung bestimmter Kosmetika gebraucht. Das Öl wird jedoch hauptsächlich in der Pharma-Industrie verwendet. Die daraus hergestellten Produkte dienen als Einreibemittel bei Rheuma, Erkältungen usw. Das Öl wurde bereits 1574 verwendet. Auch in der Aromatherapie spielt es, wie wir später sehen werden, eine gewisse Rolle.

Die Molukken bereiten übrigens aus dem fermentierten Fruchtfleisch einen beliebten Schnaps.

Reiche, Köche und Liebende

Früher setzten Reiche ihren Gästen glasierte Muskatnüsse vor. Diese waren nicht zum Essen gedacht, sondern nur zum Anschauen. Es war reine Angeberei.

Im 18. Jahrhundert trugen Reisende immer eine Muskatnuss mit einem Schaber mit sich, um bei jeder Gelegenheit Speisen, Glühwein, Bier oder Possets (Getränke aus geronnener Milch) zu würzen. Oft hatten die Muskatschaber ein Fach, in dem die Nüsse aufbewahrt wurden.

Auch eine Anekdote wurde überliefert. In vergangener Zeit gab der Koch seinem Lehrling zu Beginn der Lehrzeit eine Muskatnuss. Den Rest sollte er nach Beendigung seiner Ausbildung dem Koch zurückgeben. Dies deutet auf die sparsame Verwendung der Nuss hin.

Die Muskatnuss galt in vielen Kulturen als ein Aphrodisiakum. Wenn beispielsweise ein Mann seine Potenz steigern wollte, dann musste er sich nur eine Muskatnuss umhängen. Im 16. und 17. Jahrhundert war eine Salbe in Deutschland in Gebrauch, die den Beischlaf förderte. Die Salbe bestand aus Honig, Muskatöl, schwarzem Pfeffer, Zibeben, Speichelwurz, Schnittlauch, Moschus und Perubalsam. "Muskat gebe man den Buhlen", hiess es im Mittelalter.

Bis ins 19. Jahrhundert spielte die Muskatnuss im Liebeszauber eine bedeutende Rolle. So musste ein verliebtes Mädchen eine Muskatnuss verschlucken und geduldig warten, bis diese wieder abging. Nach dem Waschen wiederholte sich die Prozedur noch zweimal. Dann bekam der Geliebte sein "Fett" bzw. seine Nuss ab. Das Mädchen mischte heimlich einen Teil der geriebenen Nuss ins Essen des Verehrten. Danach konnte der nichts ahnende nicht mehr von ihr lassen. Heute hat dieser "unappetitliche" Brauch seinen Sinn verloren. Man könnte jedoch durch die Zubereitung eines gut schmackhaften Mahles, dam mit Muskatnuss verfeinert ist, einen Partner gewinnen. Denn bekanntlich geht die "Liebe durch den Magen". Sicherlich war dies früher auch so.

Berauschendes Myristicin

Die Muskatnuss hat an Inhaltsstoffen einiges zu bieten, nämlich bis 10 % ätherisches Öl (Muskatsamenöl) mit bis zu 8 % Myristicin und Elemicin, Pinene, Camphen, Limonen, Linalool, Borneol, Terpineol, Geraniol und Methoxy-Safrol. Insgesamt wurden 40 Komponenten im Öl entdeckt. Weitere Stoffe sind 30 bis 40 % fettes Öl (Muskatbutter oder Muskatbalsam), 30 % Stärke, ferner Zucker, Pektin und Saponine.

Die Inhaltsstoffe wirken stimmungsaufhellend, schleimlösend und gegen Durchfall und fördern die Menstruation. Die missbräuchliche Anwendung führt zu Halluzinationen.

Achtung vor einem Zuviel

Die Muskatnuss, die Muskatblüte oder das Öl soll als Gewürz immer sparsam verwendet werden. Ein Übermass kann zu Vergiftungen führen (die Angaben schwanken stark und reichen von einer halben Nuss bis zu drei Nüssen). Ver­giftungserscheinungen sind Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Mund­trockenheit, Pupillenerweiterung, Euphorie, Schwindel, Krämpfe, Desorientiertheit, Rauschzu­stände, Halluzinationen, Herzjagen, Blutdrucksteigerung, Todesangst, komatöse Zustände. Drei Nüsse waren bereits tödlich! Bei Vergiftungen sofort den Arzt rufen.

Wichtiger Hinweis: Muskatnüsse immer kindersicher aufbewahren!

Verantwortlich für die psychotrope Wirkung ist das Myristicin. Schon im alten Ägypten war die "berauschende Frucht" bekannt. Sie wurde gelegentlich als Ersatz für Haschisch geraucht. Auch in Indien wurde Nusspulver mit Tabak zusammen geraucht. In westlichen Ländern benutzten Strafgefangene die Muskatnuss als Drogenersatz. Gelegentlich wird Muskatnusspulver dem Betelbissen zugefügt.

Hilfreich bei Rheuma und Morbus Crohn

"Welche einen flüssigen Bauch haben, die sollen Muscaten geniessen, diese helfen und strecken den Magen. Wer einen bösen Bauch hat von der Kälte, der nütze Muskatblumen, er genest. Fürs Hertz-Zittern brauch und geniss Muscatenblumen", so steht es in einer spätgotischen "Hausapotheke". Die medizinische Verwendung der Nuss war schon bei den Chinesen, Arabern und Indern gebräuchlich. Sie gaben ihren Magen-, Leber- und Hautkranken diese Medizin. Auch Hildegard von Bingen führte die Muskatnuss in ihrer "Physica" auf. Sie empfiehlt die Nuss u.a. zur Dämpfung der Bitterkeit des Herzens. Wörtlich schreibt diese hochgeachtete Frau: "Die Muskatnuss hat grosse Wärme und vortreffliche Kräfte. Der Genuss öffnet das Herz des Menschen und läutert sein Gefühl und verschafft ihm guten Versand."

Heute verwenden wir die frisch gepulverte Muskatnuss als Inhalationszusatz bei Bronchialhusten, zur Herstellung von Magentonika. Sie regt den Appetit an und hilft gegen Durchfall. Sie soll sogar die Beschwerden bei Morbus Crohn lindern.

Eine Mischung des Muskatnussöls (3%ig) mit Mandel- oder Olivenöl eignet sich als Einreibemittel bei Rheuma und Muskelschmerzen.

Regt Herz und Kreislauf an

Auch in der Aromatherapie kam das Muskatsamenöl (Muskatöl, Muskatnussöl) zu Ehren. Das Öl wirkt stark anregend, stimuliert Herz und Kreislauf und bringt Ent­spannung und geistige Klarheit. Es eignet sich hervorragend für Aromamischungen für die Duftlampe oder als Badezusatz. Das wohltuende Bad stärkt die Widerstands­kraft gegen Kälte.

Hier das Rezept für eine Mischung als Badezusatz: 3 Tropfen Muskatnussöl, 3 Tropfen Sandelholz und 2 Tropfen Orange auf 1 Esslöffel Sesamöl. Vorsicht! Nicht zu hoch dosieren oder länger anwenden (Myristicin kann nervöse Störungen verursachen!).

Achtung! Schwangere und Kinder dürfen das Öl für Therapiezwecke nicht benützen.

Gegen Furunkeln und Abszesse

Auch in der Homöopathie findet ein Muskatgewächs Anwendung. Bei uns wird hauptsächlich der rote Saft aus der verletzten Rinde des brasilianischen Talg­muskatbaumes (Myristica sebifera) zu homöopatischen Medikamenten verarbeitet. Der stark entzündungswidrige Saft wird verordnet bei Furunkeln, Abszessen, eitrigen Entzündungen der Finger und Zehen, Lymphknotenentzündungen und Nagelumlauf (D2, D3 und Ampullen bis D6). Das Mittel wirkt ähnlich wie Echinacea (Sonnenhut) und kann auch mit diesem kombiniert werden.

 


© Suuretaler Metzgli

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